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Hasskriminalität im Netz nicht hinnehmen

Thema: Netzwerkdurchsuchungsgesetz

Harald Baumann-Hasske, Sprecher für Rechtspolitik der SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag, am Donnerstag in der Aktuellen Debatte „Netzwerkdurchsetzungsgesetz stoppen“ der AfD:

+++ Opfer schützen +++ Regelung war notwendig +++

„Wir sind der Auffassung, dass die Äußerungen in den Netzwerken, die unter dem Begriff „Hate-Crime“ zusammengefasst werden, nicht länger hingenommen werden durften, dass die Opfer dringend des Schutzes bedurften und dass der Gesetzgeber gut daran getan hat, eine abgestufte Regulierung vorzunehmen“, so der Rechtsexperte der SPD-Fraktion, Harald Baumann-Hasske, in der Aktuellen Debatte zum Netzwerkdurchsuchungsgesetz.

„Das Gesetz richtet sich, anders als oft behauptet wird, nicht gegen Falschbehauptungen, sondern ausdrücklich gegen strafbare Veröffentlichungen. Es ist also nicht so, dass die Meinungsfreiheit eingeschränkt würde, sondern lediglich strafbare Inhalte sind betroffen. Das richtet sich z.B. gegen verfassungsfeindliche Symbole; wer seine Posts damit schmückt, verhält sich offensichtlich in strafbarer Weise, der Post kann und muss bei Beanstandung sofort gelöscht werden. Das Gesetz enthält einen Katalog der Straftaten, auf die es sich bezieht. “

„Das Gesetz ist beschlossen und wird demnächst Wirkung entfalten. Bevor wir diese Wirkung kritisieren, sollten wir sie zunächst abwarten. Sollte es sich nicht bewähren, muss es aufgrund der jetzt entstehenden Erfahrungen reformiert werden.“

 

Die gesamte Rede:

Anrede,

wir haben in dieser aktuellen Stunde das Thema eines jüngst verabschiedeten Bundesgesetzes, das in der Tat umstritten war und ungewöhnliche Maßnahmen ergreift.

Worum geht es?

Das Gesetz reformiert das Telemediengesetz und adressiert soziale Netzwerke mit mehr als 2 Millionen Nutzern im Inland. Diese werden verpflichtet, Beschwerden über strafbare Inhalte, die bei Ihnen veröffentlicht werden, schnell zu bearbeiten. Ist es offensichtlich, dass der beanstandete Inhalt strafbar ist, werden sie verpflichtet, ihn binnen 24 Stunden zu löschen.

Ist die Strafbarkeit der Inhalte nicht so eindeutig, gilt eine 7-Tages-Frist zur Prüfung der Inhalte. Dann soll in der Regel spätestens entschieden sein, ob der Inhalt zu löschen ist oder nicht.

Hängt die Entscheidung davon ab, wie der Kontext einer Äußerung zu beurteilen ist, kann der von der Beschwerde betroffene Autor dazu gehört werden. Der Anbieter des Netzwerks kann die Entscheidung an eine besondere Einrichtung der freiwilligen Selbstkontrolle (die sog. „regulierte Selbstregulierung“) abgeben, die der Zulassung durch das Bundesamt für Justiz bedarf.

Hält sich der Anbieter nicht an diese Regeln, droht ein empfindliches Bußgeld, im Extremfall bis zu 50 Mio Euro.

Anrede,

zugegeben, das klingt alles sehr bürokratisch. Wozu brauchen wir das? Schränkt dieses Gesetz nicht die unternehmerische Freiheit und die Meinungsfreiheit unangemessen ein? Entlastet der Staat die Justiz nicht von Aufgaben, die von ihr zu lösen wären, zulasten der Anbieter sozialer Netzwerke? Das alles sind Fragen, die in den letzten Wochen gestellt wurden.

Ich will einige Antworten suchen.

Das Gesetz richtet sich, anders als oft behauptet wird, nicht gegen Falschbehauptungen, sondern ausdrücklich gegen strafbare Veröffentlichungen. Es ist also nicht so, dass die Meinungsfreiheit eingeschränkt würde, sondern lediglich strafbare Inhalte sind betroffen. Das richtet sich z.B. gegen verfassungsfeindliche Symbole; wer seine Posts damit schmückt, verhält sich offensichtlich in strafbarer Weise, der Post kann und muss bei Beanstandung sofort gelöscht werden. Das Gesetz enthält einen Katalog der Straftaten, auf die es sich bezieht.

Es bedürfte eines solchen Gesetzes nicht, wenn strafbare Behauptungen gelegentlich in Zeitungen veröffentlicht würden und die Strafverfolgungsbehörden dem nachgehen, die Opfer sich durch einstweilige Verfügungen auf künftige Unterlassung wehren könnten. So war das früher. Da wurden Veröffentlichungen durch verantwortliche Redakteure vorgenommen, die den rechtlichen Rahmen kannten. Wenn sie den Rahmen trotzdem verließen, konnte man sie vor Gericht ziehen.

Heute ist das Medium ein anderes, Veröffentlichungen erfolgen nicht mehr durch verantwortliche Redakteure, sondern durch jeden, der will, die Zahl der Rechtsbrüche steigt ständig und die Zeit und der personelle Aufwand, um das alles durch Gerichte klären zu lassen, steigt ins Unermessliche. Außerdem wird durch das Gesetz der Rechtsweg nicht ausgeschlossen, aber die akute Rechtsverletzung kann in kurzer Frist unterbunden werden.

Das ist auch notwendig: Wenn früher eine Beleidigung in der Zeitung stand, konnte eine Gegendarstellung oder eine Unterlassung für die Zukunft erstritten werden. Die Beleidigung war nur einmal veröffentlicht worden und dann im Papierkorb gelandet, einmal gesendet worden und verhallt.

Heute werden auch strafbare Inhalte ins Internet gestellt und bleiben dort auf Dauer; sie können auch nach Tagen, Monaten und Jahren noch aufgerufen werden. Wenn die Strafbarkeit offensichtlich ist, bedarf es einer kurzfristigen Unterbindung, um den Schaden oder die Rechtsverletzung für das Opfer durch andauernde Veröffentlichung nicht noch zu vergrößern.

Das hat übrigens nichts mit einem Verstoß gegen die Meinungsfreiheit oder mit Zensur zu tun: Strafbare „Meinungen“ wie Beleidigungen sind von der Meinungsfreiheit nicht geschützt. Und die von Art. 5 I S.3 GG geschützte Freiheit von Zensur bezieht sich auf die Verpflichtung, einen Beitrag vor Veröffentlichung einer Behörde zur Genehmigung vorlegen zu müssen; hier geht es um die ganz anders gelagerte Frage, ob ein strafbarer Inhalt, der veröffentlicht ist, öffentlich bleibt oder nicht. Das hat mit Zensur nichts zu tun.

Der Gesetzgeber hat angesichts einer ansteigenden Vielzahl strafbarer Äußerungen in sozialen Netzwerken eine Notbremse gezogen.

Man kann sich über das Verfahren im Detail streiten. Das wird insbesondere von den Betroffenen auch ausgiebig getan: Insbesondere Facebook, die sich zuvor an freiwilligen Lösungen beteiligen wollten, Beschwerden aber nur unzureichend bearbeitet hatten, erklären das Gesetz für verfassungsrechtlich bedenklich.

Nach zahlreichen Bedenken aus der Opposition im Bundestag, aus den wissenschaftlichen Diensten des Bundestages und von vielen Experten wurde das Gesetz in der Beratung nachgebessert. Trotzdem bleibt der Vorwurf, die Struktur des geregelten Verfahrensweges könnte die Anbieter der Netzwerke dazu verführen, sich im Zweifel lieber gegen die Meinungsfreiheit zu entscheiden und einen Eintrag zu löschen, um einem drohenden Bußgeld zu entgehen, bestehen. Dieser Vorwurf wurde auch sehr prominent vom Sonderbeauftragten der Vereinten Nationen für die Meinungsfreiheit geäußert. Dem Vorwurf wurde das Verfahren der „regulierten Selbstregulierung“ entgegen gesetzt. Es wird abzuwarten sein, ob es diese Funktion erfüllen kann.

Anrede,

das Gesetz ist beschlossen und wird demnächst Wirkung entfalten. Bevor wir diese Wirkung kritisieren, sollten wir sie zunächst abwarten. Das Gesetz ist jedenfalls nicht geeignet, verfestigte Strukturen zu schaffen; sollte es sich nicht bewähren, muss es aufgrund der jetzt entstehenden Erfahrungen reformiert werden.

Jedenfalls sind wir der Auffassung, dass die Äußerungen in den Netzwerken, die unter dem Begriff „Hate-Crime“ zusammengefasst werden, nicht länger hingenommen werden durften, dass die Opfer dringend des Schutzes bedurften und dass der Gesetzgeber gut daran getan hat, eine abgestufte Regulierung vorzunehmen.