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  • SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag
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Das wird man ja wohl noch sagen dürfen…

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Hanka Kliese, stellvertretende Fraktionsvorsitzende am 3. Februar im Landtag in der Aussprache zum Bericht des Stasiunterlagen-Beauftragten.

„Das sind ja Stasi-Methoden!“ oder „Das erinnert mich an tiefste DDR-Zeiten!“ – Diese Sätze sind heute schnell dahin gesagt und dienen dazu, die bestehenden Verhältnisse so hart wie möglich zu kritisieren. Dass mit solchen Sätzen auch eine Relativierung dessen, was die DDR ihren Bürgerinnen und Bürgern an Unrecht antat ruht, machen sich die Wenigsten in diesem Moment bewusst. Und dennoch lohnt es sich, die Vergangenheit genau zu rekonstruieren, um zu wissen, ob man mit solcherlei Vergleichen richtig liegt. Genau diese Aufgabe, eine korrekte und gut vermittelte Rekonstruktion der Geschichte, übernimmt der Landesbeauftragte mit seinem Team. Dazu gehören wissenschaftliche Forschung ebenso wie politische Bildung, welche die Forschungsergebnisse gemeinsam mit den Berichten der Zeitzeugen vermittelt.

Nehmen wir einmal exemplarisch den in letzter Zeit immer wiederkehrenden Kritikpunkt, man könne heutzutage seine Meinung nicht mehr ehrlich sagen, häufig hervorgebracht von Menschen, die aufgrund ungezügelter rassistischer Einlassungen irgendwann dann doch von jemandem zurecht gewiesen wurden. Doch wie war das zu DDR-Zeiten? Hier fällt mir der Radsportler Wolfgang Lötzsch ein. Lötzsch, hochgradig frustriert, weil ihm die SED-Führung zu einer Mitgliedschaft zwingen wollte und seine sportliche Förderung komplett einstellte, nachdem er dies verweigerte, geriet in der DDR in eine Verkehrskontrolle. Dort sagte er im Affekt: „Es ist typisch für die DDR, dass die Bürger keine Rechte haben. Alles Scheiße hier in diesem Land.“  Für diesen Satz wurde er wegen Staatsverleumdung zu zehn Monaten Haft verurteilt.

Es sind solche Geschichten wie die vom Wolfgang Lötzsch, die in den Publikationen des Landesbeauftragten für Stasi-Unterlagen (LSTU) nachzulesen sind. Und es sind Menschen wie er – Opfer der SED-Diktatur – für die der LSTU arbeitet. Diese Arbeit ist nicht hoch genug zu schätzen.

Denn alles, was heute so selbstverständlich scheint, dass es manche gar nicht mehr zu schätzen wissen, haben Menschen in der DDR erkämpfen müssen und einige von ihnen zahlten einen hohen Preis dafür. So kämpfen manche von ihnen bis heute mit den psychischen und physischen Folgen ihrer Haftzeit. Isolation, Schlaf-Entzug und andere unsichtbare Methoden der so genannten weißen Folter haben ihre Spuren hinterlassen. Längst nicht alle haben eine entsprechende Anerkennung ihrer Haftfolgeschäden erhalten. Hier leistet der LSTU eine wichtige Arbeit im Dialog und bietet – ohne auf ein Team von Psychologen zurückgreifen zu können – entsprechende seelsorgerische Beratung an. Leider lässt die Zusammenarbeit mit dem KSV zu diesem Thema bis heute Wünsche offen und ich möchte mein ausdrückliches Bedauern darüber zum Ausdruck bringen.

Ich halte es für unwürdig, diejenigen Menschen, welche für ihre politische Haltung mit Haftstrafen belegt waren, heute zu Bittstellern werden zu lassen. Sie verdienen unseren höchsten Respekt.

Mit der Opferrente und ihrer letzten Erhöhung ist die Anerkennung der Opferbiographien nur teilweise gelungen. Aus meiner Sicht ist es nicht gerecht, die Opferrente an die soziale Bedürftigkeit zu knüpfen. Die Opferrente ist eine Entschädigungs-und keine Sozialleistung.

Zu Recht weist Lutz Rathenow in seinem Bericht auf den Missstand hin, dass Ersparnisse der Leistungsberechtigten angerechnet werden, wie etwa eine kleine Rücklage für eine Beerdigung, welche den Zugang zu Opferrente verhindern kann. Für solche und andere Hinweise sind wir dankbar und leiten sie gern an die Bundesebene weiter, wohl wissend, dass das Thema im Bundestag nur noch von wenigen Abgeordneten mit der Leidenschaft und Vehemenz vertreten wird, die ihm zusteht.

Ich möchte Lutz Rathenow, Dr. Nancy Aris und dem ganzen, kleinen Team danken für ihre vielfältige Arbeit. Sie müssen Wissenschaftler, Seelsorger, Rechtsberater, PR-Fachleute und vieles mehr in einem sein. Das geht natürlich nicht immer. Und dennoch bitte ich sie: Zeigen Sie sich dem Parlament offensiver, mit dem was sie tun und dem, was Sie brauchen.

In einer Zeit, in der jedes freiwillig besuchte soziale Netzwerk leichtfertig mit der Staatssicherheit verglichen wird, in einer Zeit, in der manche vergessen haben, dass ein Schießbefehl ein Verbrechen ist, brauchen wir Sie und ihre Arbeit mehr denn je.