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‚Unser Sachsen‘ zum Thema Schule

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Bildung ist eines unserer Schlüsselthemen, es ist uns ein Herzensanliegen. Deshalb ist uns auch das neue Schulgesetz so wichtig. Wenn wir es jetzt anfassen, dann gilt es bestimmt zehn Jahre. Das Ergebnis muss also sitzen. Unsere Devise ist: Qualität vor Geschwindigkeit.
Der Diskussionsprozess, den das Kultusministerium mit dem ersten Entwurf am Anfang des Jahres mit Dialogforen und Beteiligungsmöglichkeiten angestoßen hat, war richtig und wichtig. Jedoch wurden im neuen Entwurf wichtige Anregungen nicht aufgenommen – er blieb leider hinter unseren Erwartungen zurück.

Gefreut hat uns, dass von vielen Seiten unsere Idee des längeren gemeinsamen Lernens aufgegriffen wurde. Allerdings ist auch klar: Es gilt der Koalitionsvertrag, in dem die Gemeinschaftsschule nicht aufgenommen ist. Wir sind da vertragstreu. Aber wenn selbst die Wirtschaft inzwischen dafür ist, bewegt sich offenbar was. Wir müssen der CDU da wohl einfach noch Zeit geben.

Im Wahlkampf haben wir unsere Forderung nach mehr Lehrerinnen und Lehrern in Stein gemeißelt. In den Koalitionsverhandlungen haben wir eine erste Verbesserung erreicht. Die SPD hat für 1.200 Neueinstellungen pro Jahr gesorgt. Das wird aber nicht reichen. Wir müssen den Lehrermangel endlich konsequent angehen. Es ist zwar schön und gut, dass das Kultusministerium jährlich verkündet, der Schuljahresbeginn sei gesichert. Wir möchten aber, dass Schule langfristig auf hohem Niveau gesichert ist:

  • Wir wollen, dass alle Lehrkräfte an allen Schulen gleichwertig bezahlt werden.
  • Wir wollen, dass Seiteneinsteiger ordentlich auf ihren Job im Klassenzimmer vorbereitet werden.
  • Wir wollen, dass der Beruf auch für ältere Lehrerinnen und Lehrer attraktiv bleibt.

Uns ist es wichtig, auch in einer Koaltion dafür zu kämpfen. Gemeinsam mit unserer bildungspolitischen Sprecherin Sabine Friedel. Ohne ideologische Scheuklappen und an der Sache orientiert. Ich bin mir sicher, dass wir in diesem Jahr viel für Schüler, Lehrer und Eltern erreichen können.

Der Weg zum neuen Schulgesetz.

Jetzt muss das Parlament ran

Da staunte so mancher nicht schlecht, als sich das Kultusministerium Anfang des Jahres dazu entschloss, beim Schulgesetz neue Wege zu gehen: Nicht hinter verschlossenen Türen sollte diskutiert werden, sondern breit und offen – von Angesicht zu Angesicht und auch online. Und deshalb landete gleich der erste Referentenentwurf im Internet. Neun Dialogforen hat das Kultusministerium veranstaltet, und die Resonanz blieb nicht aus. An jedem dieser Abende beteiligten sich zwischen 80 und 180 Personen. Eltern, Schülerinnen und Schüler, Lehrkräfte und Wirtschaftsvertreter diskutierten engagiert und kritisch, aber immer konstruktiv und auf Lösungen bedacht.
Wir Sozialdemokraten haben in dem Beteiligungsprozess eine große Chance gesehen – wenn er denn ernst gemeint ist: „Bürgerbeteiligung ist dann erfolgreich, wenn die Ergebnisse am Ende einen Unterschied machen, wenn sie ernst genommen werden“, sagte die bildungspolitische Sprecherin unserer Landtagsfraktion, Sabine Friedel, bei einer Plenardebatte Mitte März. Jetzt, ein Vierteljahr später, sehen nicht nur die Bürgerinnen und Bürger mit Enttäuschung auf den Anfang Mai vorgelegten zweiten Entwurf, sondern auch die Landtagsabgeordneten. „Da muss eben das Parlament ran“, erklärte Sabine Friedel. Von den mehr als 1.000 Hinweisen und Anregungen, die beim Kultusministerium eingegangen waren, hat kaum etwas Berücksichtigung gefunden. Friedel: „Wir nehmen die Hinweise der Eltern und Schüler, der Lehrerverbände und der Wirtschaft ernst und wollen sie im Gesetz verankert sehen.“
Dass noch ein gutes Stück Arbeit vor den Fraktionen liegt, zeigt schon die Tatsache, dass das Kultusministerium bisher nur 79 der insgesamt 1.089 Stellungnahmen veröffentlicht hat. Datenschutzgründe sprächen aus Sicht des Ministeriums dagegen, dem Parlament alle Stellungnahmen und Anregungen zuzuleiten. „Aber die Bürgerinnen und Bürger wollen doch mit ihren Hinweisen Einfluss auf das Gesetzgebungsverfahren nehmen – wie soll das gelingen, wenn der Gesetzgeber die Hinweise nicht kennen darf?“, fragt Sabine Friedel. Wenn der Prozess bereits an diesem Punkt in Stocken gerät, wie soll das dann erst bei den inhaltlichen Änderungen werden?
Ändern muss sich noch vieles: Für die Schulen im ländlichen Raum müssen die Ausnahmeregelungen weiter gehen als vorgesehen, denn flächendeckende Schulschließungen sind mit der SPD nicht zu machen. Auch das Berufsschulnetz muss stabil gemacht werden. Die Oberschulen gilt es zu stärken, Schulsozialarbeit gehört im Gesetz verankert und mit einem modernisierten Erziehungs- und Bildungsauftrag wollen wir den Impuls für eine Erneuerung der Lehrpläne setzen. Beim Thema Inklusion schließlich ist besonders viel Nachbesserungsbedarf, denn hier ist wichtig, dass sie von Anfang an gelingt und nicht mangels Ressourcen zur Belastung wird.
„Es gibt einen sehr sportlichen Zeitplan“, so Sabine Friedel. „Im November 2016 soll das Gesetz beschlossen werden, mit dem Schuljahr 2017/18 in Kraft treten. Aber wir sind uns in der Fraktion einig: Unser wichtigstes Kriterium beim Schulgesetz ist die Qualität. Wenn es uns in der vorgesehenen Zeit gelingt, viele Änderungen zu vereinbaren und so ein gutes Schulgesetz zu erarbeiten, dann sind wir zufrieden. Wenn nicht, dann werden wir eben solange weiterdiskutieren, bis das Gesetz gut ist.“

Schulen in NOT?

Sabine Friedel, bildungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag, über Lehrermangel, Ungerechtigkeiten und was wir dagegen tun müssen.

„Schulen in Not“ – ist das überdramatisiert oder sind die Probleme wirklich so groß?
Sabine Friedel: Natürlich gibt es Schulen, wo die Lage derzeit noch entspannt ist. Doch die Probleme sind wirklich groß: Viele Lehrerinnen und Lehrer gehen in den nächsten Jahren in Rente. Der Nachwuchs fehlt. Es gibt Unterrichtsausfall, für manche Fächer sogar wochenlang.
Sachsen braucht also dringend Lehrkräfte. Was ist zu tun?
Sabine Friedel: Vieles. Es gibt nicht die eine Maßnahme, die alle unsere Probleme löst. Wir müssen dafür sorgen, dass die älteren Kolleginnen und Kollegen länger bleiben: Viele gehen heute schon mit 63 Jahren in Rente und nehmen die Abschläge in Kauf. Man muss also dafür sorgen, dass die Arbeitsbedingungen für die Älteren besser werden, indem man beispielsweise Altersteilzeit ermöglicht oder die Älteren nur noch in einem Fach statt zweien einsetzt, um ihnen die Arbeit zu erleichtern. Seiteneinsteiger werden schon jetzt eingestellt, aber sie brauchen eine vernünftige Ausbildung, bevor sie in den Unterricht gehen, sonst ist ihre Einarbeitung eine zusätzliche Belastung für die Kollegen. Und natürlich müssen wir mit einer besseren Bezahlung dafür sorgen, dass der Lehrerberuf attraktiver wird.
Viele Bundesländer verbeamten ihre Lehrkräfte. Kann es sich Sachsen angesichts des bundesweiten Lehrermangels leisten, weiterhin nicht zu verbeamten?
Sabine Friedel: Ich halte die Verbeamtung aus vielen Gründen für keine gute Lösung. Das fängt bei der Tatsache an, dass man damit den Sozialversicherungssystemen noch mehr Arbeitnehmer entzieht – dabei wollen wir Sozialdemokraten doch eigentlich das Gegenteil. Das wesentliche Argument für eine Verbeamtung ist immer, dass die Lehrer dann netto mehr Geld haben. Aber das können wir auch ohne Verbeamtung erreichen, indem wir die Lehrkräfte besser bezahlen. E13 für alle, das ist unser Ziel. Ich hoffe, dass wir es mit dem kommenden Haushalt schon erreichen, alle Oberschullehrer in diese Gehaltsgruppe zu holen und sie damit genauso zu bezahlen wie die Lehrkräfte an den Gymnasien. In einem zweiten Schritt muss das dann auch für die Lehrerinnen und Lehrer an Grundschulen möglich werden.
Oberschullehrer fehlen ja in besonderem Maße, während für das Gymnasium mehr Absolventen zur Verfügung stehen. Haben da die Universitäten in den vergangenen Jahren falsch ausgebildet?
Sabine Friedel: Nein. Was junge Menschen studieren wollen, hängt ja vor allem von den späteren Aussichten ab. Es ist völlig klar: Wenn ich Lehrerin werden will, dann studiere ich lieber auf Gymnasium statt Oberschule, denn einerseits verdiene ich dann später mehr Geld. Und andererseits kann ein Gymnasiallehrer auch an der Oberschule eingesetzt werden, aber ein Oberschullehrer nicht am Gymnasium. Dass also am Bedarf vorbei ausgebildet wurde, liegt nicht an den Universitäten, sondern daran, dass die Struktur unseres Lehramtsstudiums, die vom Kultusministerium vorgegeben wird, und die unterschiedliche Bezahlung falsche Anreize setzen. Da muss sich dringend etwas ändern – indem man die Lehramtsprüfungsordnung ändert und die sogenannte Stufenausbildung einführt: Einen Studiengang für die Primarstufe (also Grundschullehramt), einen für die Sekundarstufe I (also 5.-10. Klasse an Oberschulen und Gymnasien) und einen für die Sekundarstufe II (also 11.-12. Klasse bzw. Berufsschulen). Das wird eine wichtige Aufgabe für die nächsten Jahre, damit unserem Bildungssystem nicht wieder so etwas passiert wie jetzt.

Ausblick: GEHT’S NICHT NOCH UM MEHR?

Von Sabine Friedel

Der Lehrkräftemangel stellt unser Schulsystem vor riesige Probleme. An vielen Stellen muss etwas getan werden, um die Probleme zu lösen: Bei den Lehrergehältern, bei den Seiteneinsteigern, bei den Studiengängen. Viele kleine Stellschrauben … Aber geht’s nicht noch um mehr? Sagt man nicht, dass in jeder Krise auch eine Chance steckt? Die man sehen und beim Schopfe packen muss? Was ist denn mal ganz unabhängig vom Lehrermangel? Wir erleben gestresste Kinder, die schon im Alter von 12 Jahren mit Schulunterricht, Ganztagsangebot und Hausaufgaben eine Vierzig-Stunden-Woche absolvieren. Lehrerinnen und Lehrer, die einen dichten Lehrplan schaffen und dabei die Langsamlerner auf der Strecke lassen müssen. Eltern, die die hohen schulischen Anforderungen beklagen und gleichzeitig unzufrieden mit ihren Kindern sein müssen. Und Ausbildungsbetriebe, die ihren Lehrlingen extra-Kurse geben, um Schulstoff zu wiederholen und sie „ausbildungsreif“ zu machen. Ist die Art von Bildung, die wir heute betreiben, wirklich zukunftsfähig? In einer Zeit, wo dank Internet und Smartphones alles Wissen unmittelbar und immer verfügbar ist, sind es dann nicht ganz andere Dinge, die die Schule eigentlich vermitteln muss?
Der Astrophysiker und Wissenschaftsjournalist Professor Harald Lesch („Leschs Kosmos“ und „Frag den Lesch“, ZDF) hat das Dilemma unseres Bildungssystems in einem Interview zutreffend beschrieben: „Ich bedauere eigentlich im Wesentlichen, dass viel zu wenig Kunst, Musik und Sport unterrichtet wird, weil das sind die wesentlichen Fächer in der Schule, die die Kreativität der Kinder so stark beeinflussen wie nichts sonst. Kinder, die sportlich sind, die Musik machen, die Lust haben, Theater zu spielen, was zu malen, bildende Kunst – das werden Gehirne sein, die in Zukunft auf Fragen, die heute noch keiner weiß, entsprechend reagieren können. Stattdessen kerkern wir sie ein. Wir kerkern sie in Vokabeln ein, in irgendwelche mathematischen Übungsaufgaben, die teilweise von einer Perversion sind, das hätte ich gar nicht für möglich gehalten … Wir kerkern sie ein in allen möglichen Kram, aber wir bereiten sie nicht auf das Leben vor. Wir unterrichten zum Beispiel Mathematik nicht als praktisches Fach. Praktisch wäre so, dass die Kinder sofort, so schnell wie möglich, mit Leuten zusammenkommen, die jeden Tag Mathematik um sich rum haben. Grundrechenarten, Prozentrechnung, Dreisatz, Flächenberechnung – ganz einfache Dinge, um zu sehen, wofür braucht man denn das eigentlich? Dann unterrichtet man Mathematik richtig, als ganz starkes praktisches Fach. Aber nicht so ein total abstraktes Zeug mit irgendwelchen Mengen, davon wird man nie wieder in seinem Leben was hören; mit irgendwelcher Algebra, die man nie wieder braucht … Bei der Physik ist es so, das ist ein Anhängsel der Mathematik, da werden irgendwelche blödsinnigen Übungsaufgaben gerechnet. Es wird eben nicht Natur erfahren. Es wird nicht rausgegangen. Die Frage zu stellen, warum kann ein Baum so groß werden? Mein Gott, wie macht denn der das? Wir gucken mal, wie hoch wir eine Wassersäule pumpen können, gegen die Erdanziehungskraft: Zehn Meter. Tja, aber die Bäume sind 26 Meter hoch, wie kriegen die denn das Wasser da oben hin? Das müsste man unterrichten, also wirklich raus, raus, raus, raus und rein und runter und weg und hin und so weiter! Aber stattdessen sitzen halt die Kinder in den G8-Zuchthäusern und werden da durchgetrieben. Also ich finde das aberwitzig. … Man komprimiert Zeit. Man versucht das tatsächlich. …. Wir lassen sie nicht mehr spielen. Es ist alles total organisiert.“
Ein Teil unseres Lehrermangels rührt vielleicht auch daher, dass wir unsere Lehrerinnen und Lehrer falsch einsetzen. Dass wir unseren Kindern 34 Unterrichtsstunden pro Woche zumuten. In Finnland liegt das durchschnittliche Stundenmaß bei 22 Unterrichtsstunden pro Woche. In der restlichen Zeit findet auch Schule statt – aber in einem Rahmen, der eine Mischung aus unseren Ganztagsangeboten, Selbstlernphasen und Freizeit in der Schule ist. Vielleicht führt ja der Lehrkräftemangel dazu, dass wir uns unsere Stundentafeln noch einmal genau anschauen. Das wäre gut! Denn wir müssen uns die Frage stellen: Geht nicht auch weniger? Und wenn ja, wie sehen dann unsere Lehrpläne der Zukunft aus? Was ändern wir, um unseren Kindern nicht mehr trockenes Wissen einzutrichtern, das heute überall schnell verfügbar ist, sondern ihnen vielmehr beizubringen, wie man sich Wissen aneignet? Den Schritt von der Wissensvermittlung zur Kompetenzausbildung ist unser Bildungssystem sprachlich schon gegangen – aber praktisch noch nicht. Praktisch findet der Unterricht an vielen Schulen immer noch so statt wie vor zwanzig oder dreißig Jahren. Denn an den Prüfungsanforderungen hat sich wenig geändert. An der Lehramtsausbildung hat sich wenig geändert. Und damit hat sich auch an unseren Schulen wenig geändert.
Schulgesetz und Lehrkräftemangel sind für uns in der Landtagsfraktion wichtige Themen. Aber sie sind nur das Vorspiel. Wie sollen unsere Schulen der Zukunft aussehen? In einer komplexen, digitalen und vernetzten Welt? Was brauchen unsere Kinder für Fähigkeiten, wenn sie einmal erwachsen sind? Das sind die Fragen, denen wir uns auch widmen wollen. Und die über unsere Legislaturperiode weit hinausgehen. n